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Warum lernt man Latein?

Latein ist eine tote Sprache - so hört man es wenigstens: ja, insofern als es heute so, wie es vor 500, 1000 u 2000 Jahren gesprochen wurde, nicht mehr zur Verständigung innerhalb eines Volkes dient, so wie es für das Deutsche, Französische und andere Sprachen gilt.
Aber auf eine andere Weise ist es dennoch höchst lebendig:

Latein und Romanische Sprachen

Wie allgemein bekannt, haben die Römer vor ca. 2000 Jahren ein Reich , das imperium Romanum, errichtet, das den gesamten Mittelmeerraum und angrenzende Gebiete umfasste: Es reichte zur Zeit des Kaisers Trajan (um 120 n. Chr.) von Schottland bis an das Schwarze Meer, den Kaukasus und Persien, von südlichen Dänemark bis in die Sahara.
Rom hat viele dieser Länder und Völker natürlich mit seiner Kultur geprägt, einige aber auch mit seiner Sprache: LATEIN LEBT, und zwar als modernes Latein in den romanischen Sprachen, die sich aus dem Lateinischen entwickelt haben.
Aber auch das ENGLISCHE hat aus verschiedenen Gründen viele Wörter aus dem Lateinischen übernommen, im wissenschaftlichen Bereich mehr als 90 Prozent.
Dass auch das Deutsche sich einer Vielzahl lateinischer Fremdwörter bedient, bedarf keiner besonderen Hervorhebung.
Doch die sprachliche Nachwirkung römisch-lateinischer Kultur beschränkt sich nicht auf die genannten Bereiche: Die sich an die Antike anschließende abendländische Kultur des Mittelalters und der Neuzeit bis ins 18. Jahrhundert fußt auf dem Lateinischen, das in ganz Europa gesprochen und vor allem geschrieben wird: Wichtige Dokumente der politischen und der Geistesgeschichte wurden von vornherein lateinisch verfasst oder ins Lateinische übersetzt (wie z.B. die berühmten Untersuchungen Galileis über das Sonnensystem), damit man sie eben nicht nur im eigenen Land verstand.

Inhalte

Und mit der Sprache widmen wir uns natürlich auch mit den in dieser Sprache formulierten Inhalten: So vermittelt Latein eine Begegnung mit Gegenständen mehrerer anderer an der Schule gelehrten Fächer, wie Geschichte, Deutsch, Religion und immer wieder stehen auch philosophische Themen im Mittelpunkt.

Schulung der Fähigkeiten im Deutschen

Schließlich nötigt Latein zu einem genauen Hinsehen; das Übersetzen in verschiedene Varianten eines angemessenen Deutsch wird eindringlich geübt, intensiver als in den modernen Fremdsprachen: So schult der Umgang mit dem Lateinischen auch die bewusste Beherrschung der Muttersprache; verschiedene Tests haben dies eindrucksvoll belegt.

Warum Latein als zweite Fremdsprache

1. Der praktische Nutzen

1.1 Das Latinum ist Examensvoraussetzung für zahlreiche Studienfächer wie z. B. Deutsch, Geschichte, Englisch, Französisch, Italienisch, Spanisch. Nützlich bis erforderlich sind möglichst fundierte Lateinkenntnisse für zahlreiche weitere Studiengänge wie z. B. Pharmazie, Medizin, Philosophie, Theologie, Rechtswissenschaften. Auch die meisten rein universitären Abschlüsse (Magister Artium, Promotion) setzen in der Regel Lateinkenntnisse voraus zumindest im geisteswissenschaftlichen Bereich.Der spätere Erwerb von Lateinkenntnissen bzw. des Latinums kostet viel Zeit und Energie; dagegen erwirbt sich jeder Schüler des Gymnasiums das Latinum, der nach fünf Jahren Pflichtunterricht am Ende der Jahrgangsstufe 11 mindestens die Note "ausreichend" vorweisen kann. Das ist für jeden fleißigen Schüler zu schaffen.

1.2 Latein ist die "Muttersprache" der romanischen Sprachen Französisch, Spanisch, Italienisch, Portugiesisch, Rumänisch und erleichtert daher das Erlernen dieser Sprachen erheblich.

1.3 Latein bietet in allen europäischen Sprachen eine hervorragende Hilfe zum Verstehen von Lehn- und Fremdwörtern und ist weltweit der Grundstock und das unerschöpfliche Reservoir für die wissenschaftliche und technische Begriffswelt besonders auch im Bereich des Englischen.

1.4 Ein guter Lateinunterricht leistet eine intensive Unterstützung für den Deutschunterricht und fördert in besonderem Maße das muttersprachliche Ausdrucksvermögen.

1.5 Durch das ständige Vergleichen zwischen dem Lateinischen und der Muttersprache lernen die Schüler diese erst richtig kennen. Lateinschüler wissen, was Grammatik ist, und sie verstehen, wie Sprache funktioniert. Daher erleichtert Latein das Erlernen jeder beliebigen anderen Sprache wesentlich.

1.6 Auch ein großer Teil des englischen Wortschatzes (ca. 60 %), in dem die Spitzenforschung (Naturwissenschaften, Raumfahrt, Computertechnologie etc.) fast ausschließlich spricht und publiziert, geht auf das Lateinische zurück.

1.7 Gerade im Hinblick auf die europäische Einigung kommt der gemeinsamen Basissprache Latein eine herausragende Bedeutung zu.

2. Latein als Schule des Denkens

2.1 Durch seine Eigenart fordert und fördert Latein in besonderem Maße Klarheit und Disziplin im Denken.

2.2 Das ständige geistige Training fördert ähnlich wie in Mathematik in besonderem Maße das logische und analytische Denken und stellt damit eine wertvolle Vorbereitung für jeden Beruf und jedes Studium dar (Studierfähigkeit!) Ein gewiss unparteiischer Zeuge dafür ist die Studienstiftung des deutschen Volkes: Sie stellte in Übereinstimmung mit Gutachten von Universitäten fest, dass Abiturienten mit Lateinkenntnissen "mehrfach und mit Abstand" am besten abschnitten. Die Zeitschrift Der WirtschaftsSpiegel schreibt:
Man hat den Lateinunterricht als Trimmpfad des Geistes bezeichnet, und in der Tat stellt er ein kontinuierliches Denktraining dar ... Wer sich einige Jahre lang auf dem geistigen Trimmpfad Latein abgestrampelt hat, wird auf die dort erworbene Fitness auch in anderen Bereichen zurückgreifen können. Lateinunterricht ist damit eine gesellschaftliche Investition in Grundlagenqualifikationen, deren Übertragbarkeit auf andere Bereiche ... unterstellt werden darf.(WirtschaftsSpiegel 1/2002, S. 34)

3. Grundsätzliche Erwägungen

3.1 Das Lateinische zwingt durch seine Eigenart zum genauen, sogenannten "mikroskopischen" Lesen und erhält damit gerade in unserer modernen Welt eine immer wichtigere Funktion: Latein erzieht in besonderem Maße zur Genauigkeit, Gründlichkeit und Konzentration.

3.2 Wer Latein lernt, nimmt intensiv teil an der "klassischen Bildung", der sich Millionen Menschen in der vom europäischen Geist geprägten Welt verpflichtet fühlen. In besonderem Maße fördern Latein und seine Literatur das Geschichtsbewusstsein, wecken ein Gespür für kulturelle Kontinuität und bieten Hilfen bei Erkenntnisprozessen und Lösungsansätze für existentielle Probleme. Gerade unter europäischen Vorzeichen gewinnt unser gemeinsames lateinisches Erbe erhöhte Attraktivität und Aktualität.

3.3 Auch für Abiturienten wird angesichts überfüllter Universitäten und unsicherer Arbeitsmarktchancen für Akademiker eine Berufsausbildung (oft mit anschließendem Studium) zunehmend interessant. Gefordert werden dafür eine möglichst breite Allgemeinbildung, verbunden mit der Fähigkeit, sich im Deutschen schriftlich und mündlich korrekt, an gemessen und gewandt ausdrücken zu können, sowie eine gefestigte Persönlichkeit, die Lern- und Leistungsbereitschaft, Konzentrations- und Anpassungsfähigkeit zeigt.

4. Die Wahl des Gymnasialzweiges

Nur durch eine Entscheidung für Latein ab der Jahrgangsstufe 6 kommt man in den Genuss der sogenannten Spätwahl, d.h. man kann die endgültige Wahl des Gymnasialzweiges (WWG oder NG) um zwei Jahre, auf das Ende der Jahrgangsstufe 7, verschieben.

5. Ist Latein schwer?

5.1 Latein ist nicht schwerer als andere Fremdsprachen, wie z. B. das Französische, zumal es keinerlei Belastung durch Rechtschreib und Ausspracheregeln gibt. Ferner ist der Wortschatz begrenzt, die Grammatik klar und logisch aufgebaut.

5.2 Die Anforderungen sind im Vergleich zu anderen Fächern durchaus maßvoll. So werden nach dem neuen, sehr bedächtig fortschreitenden Lehrplan in der 6. Klasse nur 450 Wörter gelernt, ebenso in der 7. Klasse, während in der 8. Klasse noch 400 Wörter vorgesehen sind; somit sind insgesamt 1200 - 1300 Wörter ,zu erlernen, darunter sehr viele, die dem internationalen Fremdwortschatz angehören; dies ist ein im Vergleich mit den modernen Fremdsprachen bescheidener Anspruch.